Fahrbericht Chrysler PT Cruiser CRD
Bewußt wahrgenommen hatte ich ihn eigentlich noch nicht, unseren neuen Firmenwagen – ein bißchen Geläster, daß der Name ja ganz gut zum Design paßt, “Pity-Cruiser”, denn “pity” heißt Mitleid, mehr mußte er von mir noch nicht erdulden.
Das soll sich jetzt ändern.
Der Ärger begann schon vor dem Anlassen: beim Verladen des Gepäcks. Funkfernbedienung für die ZV, praktisch – *klack*, zweimal blinken, warum ist der Kofferraum immer noch zu? Egal. Manuell aufschließen. Hmm, die Beifahrertür ist auch zu. Nochmal aufs Knöppsche drücken, *klack*, zweimal blinken, ah, jetzt geht sie auf. Daß das ein Feature ist – erstes Öffnen entriegelt nur die Fahrertür –, hab ich erst zwei Tage später verstanden.
Also einsteigen, Schlüssel ins Schloß – *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, was willst Du von mir?, *ping*, *ping*, *ping*, Tür zu, Ruhe. Hm? Achso, Du wolltest mich dran erinnern, daß ich beim Aussteigen nicht den Schlüssel vergeß, was? Nett von Dir, aber ich bin doch gerade erst eingestiegen. Ach, das kannst Du nicht unterscheiden? Naja, macht ja nix. Sitz einstellen, achja, Außenspiegel elektrisch, also Zündung an, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, was ist denn nun schon wieder, Zündung aus, nachdenken, Zündung an, *ping*, *ping*, *ping*, achso, anschnallen soll ich mich, okay, *klick*, Ruhe. Auto, Du bist schlimmer als meine Mutter.
Dann wollen wir mal starten, was? Hmm? Wieso schweigt nun der Anlasser? Ah, ein Ami, vielleicht erst mal Leerlauf. Nix. Dritter Versuch, oh, jetzt geht er. Daß auch das ein Feature ist – Anlasser geht nur bei bis aufs Bodenblech getretener Kupplung –, hab ich erst zwei Tage später verstanden, nachdem ich ihn mitten auf einer Kreuzung minutenlang nicht anbekommen habe.
Aber jetzt läuft er ja. Rückwärtsgang rein, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, was ist denn nun schon wieder, *ping*, *ping*, Ruhe. Hmm. Sollte das …? Nochmal Leerlauf, Rückwärtsgang rein, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, nein, das darf doch nicht wahr sein! *NERV*! Rückwärtsfahrpiepser außen an Radladern sind ja schlimm genug, aber innen in Kompaktwagen? Auto, Du hältst mich wirklich für merkbefreit, was?
Ein paar Tage später, als ich mich in den kurzen, hakeligen Schaltgassen tatsächlich mal aus Versehen zum R-Gang statt dem ersten verlaufen hatte, war ich allerdings froh, daß das Auto, wenn man es schon nicht vernünftig bedienen kann, wenigstens piept.
Also ab zur Tanke, Diesel fassen. Angekommen, Motor aus, Tür auf, *ping*, *ping*, *ping*, achja, Schlüssel steckt noch, abziehen, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, was nun noch?, Licht aus?, Ruhe, ah, das war’s also. Och, wie süß, ein Tankdeckel mit Schloß drin, sowas hab ich ja schon seit Jahren nicht mehr gesehen! 50 Liter Diesel gefaßt, bezahlt, beim Losfahren nur einmal *ping*, *ping*, *ping* kassiert und ab auf die Bahn.
Erster Eindruck: mann, was ist die Federung hart. Da ist mein Golf 2 16V nicht unkomfortabler. Zweiter Eindruck: für so einen kleinen Turbodiesel schiebt er ja ordentlich, wenn man bei 1600/min das Turboloch hinter sich gelassen hat. Daß er so unübersichtlich ist, stört auf der Bahn auch nicht weiter. Fast versöhnlich ist mir zumute. Sogar die Stereoanlage taugt was.
Klar, kleine Schwächen bleiben. Etwa die Instrumentenbeleuchtung. Schwarze Zahlen auf hellgrauem Grund. Bis man das Licht anmacht, dann werden sie blaßblaugrünleuchtend. Bei Nacht okay, aber bei Dämmerung ist blaßblaugrünleuchtend auf hellgrau nicht wirklich gut ablesbar. Also Instrumentenbeleuchtung aus. Schade, daß man die Uhrzeit und die Kilometer dann nicht mehr sieht.
Die altmodische Klimaanlage (einzuschalten mit dem Gebläseschalter: vier Stufen Klima, Null, vier Stufen Gebläse ohne Klima) gefällt mir ganz gut: wenigstens hab ich hier die Kontrolle und nicht irgendeine tolle Klimaautomatik. Daß es keine Luftverteiler- Stellung für Frontscheibe und Ausströmdüsen oben gibt, sondern nur Scheibe, Scheibe und Düsen unten, nur Düsen unten, Düsen oben und unten sowie nur Düsen oben, und also entweder mir zu warm oder die Scheibe leicht beschlagen ist, stört aber etwas.
Überhaupt diese Düsen. Die Technologie für in der Richtung verstell- und verschließbare Luftausströmer ist ja schon seit dem ersten VW-Bus T2 von ’67 ausgereift. Chrysler mußte es natürlich wieder anders machen, mit einem interessant aussehenden Kegelstumpf, den man verstellen und damit die Luft umlenken kann. Oder doch zumindest Teile davon. Zum Verschließen dient ein spilleriges kleines Daumenrädchen, wie alles andere aus Plaste, aber nach 27 Mm immerhin noch dran. Klar gibt’s Schlimmeres, aber sowas ist genauso unnötig wie der Schalthebelknauf, gegen den selbst das Teil aus einem ’64er Käfer hochwertig anmutet.
Aber nach 480 km über 40 Liter nachfassen zu müssen, das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Wieso verbraucht diese Karre so viel? Ein Blick in die Papiere klärt auf: der vermeintlich so kleine Diesel hat über 130 PS, und das wirklich nicht große Auto wiegt satte 1,6 Tonnen. Ein Firmen-Passat Variant mit dem 115-PS-TDI, ganz andere Fahrzeugklasse, verbraucht bei gleicher Fahrweise und subjektiv deutlich mehr Dampf einen guten Liter weniger …
Insgesamt war ich heilfroh, nach Ende der Geschäftsreise wieder meinen mittlerweile 306 Mm gelaufenen Golf 2 16V besteigen zu dürfen. Daß die Kupplung viel weniger giftig ist und dafür die Schaltung so leicht geht, daß ich erst dachte, sie wäre kaputt, ist gar nicht so wichtig. Klar, der Golf nervt mit diversesten Klapper-, Dröhn- und Schabgeräuschen, aber dafür erspart er mir immerhin das ewige *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, *ping*, *ping* 🙂
Dieser Artikel erschien am 21.9.2003 in der Usenet-Gruppe de.etc.fahrzeug.auto, lag seit etwa 2004 auf ermel.org im Web und lebt seit November 2017 hier — aber mit dem Datum von damals, damit niemand denkt, er sei aktuell
1 Kommentar
Hi
Jetzt sehe ich mich doch tatsächlich genötigt, mal meinen Senf dazuzugeben.
Nachdem mir dieser Tage mal ein Scorpio über den Weg lief (fuhr), erinnerte ich mich wieder der Scorpio-Seite die ich seinerzeit als frisch gebackener Scorpio-Fahrer auf der Suche dach dessen Lochkreis (4×108, werd ich nie vergessen, voll Scheiße, hat nur der Scorpio und sonst nix, so kriegte man auch keine billigen Räder die von abgelegten Golfs noch in irgendwelchen Rentnerkellern schlummerten oder so).
Jedenfalls fand ich den Text schon damals gleichermaßen gelungen , zutreffend und zum Grölen (…wie ein an den Seiten eingelaufener 560 SEC glotzt einen das Vehikel dümmlich an…), die Leserbriefseite erst recht.
Ich hatte mir den Scorpio ja auch nicht gekauft, weil ich ihn besonders geil fand, sondern weil er konkurrenzlos billig war. Laufleistungsgleiche Mondeos kosteten locker 1000 EUR mehr, Escorts sogar darüber, kaum zu glauben. Ich fuhr das Vehikel dann über fast 3 Jahre ohne mich um irgendeine Wartung zu kümmern, was er dann eibes schönen Morgens nach fast 70.000km mit einer weißen Wolke aus dem Motorraum auf dem Weg zur Arbeit quittierte. Ich hatte zwar schon wochenlang festgestellt, dass immer beim Abbiegen nach rechts in die Ausfallstraße die Öllampe anging, und nahm mir täglich vor, direkt nach Feierabend mal nach dem Öl zu sehen. Nun ja, der Arbeitstag ist lang und nimmt das Gehirn mit vielen anderen Dingen in Beschlag. Auf dem Heimweg gabs keine nennenswerten Rechtsschwenks, und so kam es wie es kommen musste. Der andere Scorpiofahrer der mir 3x wöchentlich entgegenkam und überschwänglich grüßte, wird mich sicher vermisst haben. Ich fands nur ärgerlich dass die 2000 Euronen nichtmal 4 Jahre gehalten hatten – aus heutiger Sicht ein Witz.
Wieso schreibe ich das alles unter die PT-Seite? Genau, ich schwiff ab… ich suchte also und fand die Scorpioseite anno 2022 wieder und lachte mich wieder genauso scheckig wie dazumal auf der Suche nach dem Lochkreis. Und las weiter und fand die PT-Seite. Nun fahre ich keinen PT und habe das auch nicht vor, denn das Ding ist wirklich Kacke und verdient es nicht Chrysler genannt zu werden. Ich fahre aber einen Chrysler, und das fast ausnahmslos schon seit dem Ausfall des Scorpios. Die bing bing bing Story beschreibt das ganze typische Ami-Helfersyndrom ganz gut, das will ich auch mal nicht weiter kommentieren. Weshalb die Zentralverrieglung erst nur die Fahrertür öffnet und den Kofferraum nur mut einem extra Knopf, wird sich ja inzwischen auch aufgeklärt haben, da will ich mal nicht oberlehrerhaft daherkommen. Muss man nicht gutfinden, ist aber voll vernünftig wenn man erlebt hat was die Beweggründe dahinter sind. Ist hier in Deutschland anno 2022 wohl auch stellenweise ganz berechtigt mittlerweile. Dafür habe ich in 15 Jahren nicht ein einziges Mal erlebt, dass an den Chryslers irgenwas auch nur im Ansatz nennenswertes kaputt gegangen wäre. Ich habe sogar mal einen abgelöst weil der TÜV alle war, nach 5 Jahren. Der lief dicke über 100.000km und außer Öl nachgießen und Bremsbeläge wechseln bei jedem Wechsel auf Sommerräder gabs nichts zu tun. Dass ich den so achtlos weggeworfen hab, hab ich mittlerweile bereut, denn für 2.000 EUR kriegt man mittlerweile keinen Wagen mehr von Anfang der Nuller Jahre. Nicht einen Scorpio, und erst recht nicht einen Chrysler.
Aber nun zum Punkt:
Ich habe nun doch etwas gefunden, wo die Chryslers eine, nennen wir es mal Schwachstelle haben. Nur die 1998er und 1999er, mit dem Facelift danach wars korrigiert. Dafür betraf es die gesamte Modellpalette. Jedenfalls hatte es mein 1999er Grand Cherokee genauso wie mittlerweile 2 300m: Die Lenkung bekommt regelmäßig Spiel, und auch wenn man das reparieren lassen hat stellt man fest, dass die Lenkung irgendwie komisch ist. Bei Nässe hat man in den Kurven das Gefühl dass das Auto nicht so recht weiß wo’s hin soll, und irgendwie keinen richtigen Kontakt zur Straße hat.
Nun hab ich das bei dem Gran Cherokee mal auf einem großen Platz genauer betrachtet: fährt man mit voll eingeschlagenen Rädern im Kreis, läuft das äußere Rad immer weiter nach innen, bis es dann genug Spannung aufgebaut hat und mit einem Ruck nach außen rutscht. Offenbar sind die Räder in eingelenktem Zustand nicht parallel.
Nun also erinnerte ich mich daran und tat es mit dem 300m gleich und siehe da, auch hier passt die Spur bei Kurvenfahrt nicht.
Jeder, der mal in seiner Jugend eine Seifenkiste gebaut hat, hat höchstwahrscheinlich den selben Fehler gemacht: die Achsschenkel mit der Vorderachse und der Spurstange als Rechteck bzw. in eingelenktem Zustand Parallelogramm gebaut. Es muss aber ein Trapez sein, dessen verlängerte Seiten sich auf der Hinterachse treffen, siehe hier: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/d/dd/Ackermann_radius_M.svg/220px-Ackermann_radius_M.svg.png
Also ab auf die Hebebühne, da muss ja die Spur von einem Idioten eingestellt worden sein. Gut, kann ja sein. Wer weiß wer sich dran zu schaffen gemacht hat, ist ja immerhin gebraucht gekauft. Schon komisch dass es modellübergreifend und bei insgesamt 3 von 4 Chryslers auftrat. Aber wer weiß. Also Hebebühne und nachgesehen. Man müsste ja nur die Spurstange kürzer oder länger einstellen, damit es dann passt. Pustekuchen. Der Winkel zwischen Achse und Achsschenkel ist nicht einstellbar, wenn man die Spurstangenköpfe rein oder rausdreht, stehen die Räder beim Geradeausfahren nicht mehr parallel und das kann man dann (außer mit der Spurstange) auch nicht ändern. Was sagt uns das? Der Idiot saß nicht in irgendeiner Werkstatt oder fungierte als Vorbesitzer, sondern in der Entwicklungsabteilung von Chrysler! Wie kann das denn sein, dass die ganze Produktion von mehreren Jahren eines Autokonzerns die elementarsten Grundprinzipien der Fahrwerksgeometrie nicht berücksichtigt?
Das musste ich jetzt mal los werden…
P.S.: Das Ersetzen der Stoßdämpfer bringt Abhilfe, die ab 2000 ausgelieferten Stossdämpfer sind dann korrigiert. Das war auch der Grund, weshalb einer meiner Chrysler nicht betroffen war: er war Bj 2004.
P.P.S.: So sehr man über das Ganze nur den Kopf schütteln kann: es zeugt doch von der Qualität der 1999-2004er Chrysler (die letzten Chrysler, bevor dann Mercedes-Daimler-Benz die Autos zu Wegwerfartikeln umfunktioniert hat): Auch nach über 200.000km sind die Original-Stoßdämpfer noch gut (vom Konstruktonsmangel abgesehen)