Steffi, was bist du alt geworden

Fahrbericht Opel Corsa A

Kraftfahrzeugüberführungslogistikbedingte Zwangsumstände machten mich eines Wochenendes zum weniger stolzen Zwischen- bis Letztbesitzer eines 1990er Opel Corsa A “Steffi Special”. Da drin hätte ich mich zu seiner Blütezeit nicht mal tot erwischen lassen wollen: was haben wir damals über die Kiste und ihre Namensgebung gelästert! Heute entlockt mir der Schriftzug nur ein müdes Schmunzeln. Ich schwöre, ich werde alt.

Der Corsa ist aber auch alt geworden inzwischen, denk ich mir so, als ich vor ihm stehe. Noch die Prä-Facelift-Version mit dem verhärmt dreinblickenden grauen Plast-Grill, innen auch alles in freudlos-grauem Hartplastik (außen ist er weiß, wo er nicht plastgrau oder rostrot ist). Erinnerungen an Kadett D und E kommen aus Urzeiten wieder hoch. Auch das Armaturenbrett-Design erinnert an den D-Kadett: oben klotzig, unten nach vorn fliehend.

Mann, ist das alles lange her. Aber noch nicht lange genug.

Das einzige, was diesen Corsa etwas rauszureißen vermag, so denke ich mir, ist das große, elektrische Faltschiebedach, wie es außer dem “Steffi Special” laut beiliegender Faltdach-Extraanleitung auch der “Joy” gehabt hat. Das Ding ist zwar nicht mehr dicht und auch nicht mehr schön, aber wenn es offen ist, ist es sehr offen – und das ist bei dem Wetter wichtiger. Doch, denke ich, die 400 km nach Hause wird der wohl zu ertragen sein. Also volltanken und ab.

Erste Überraschung: Das Ding geht nicht mal schlecht. Nachlesen im Schein ergibt, daß es sich um einen 1.4i mit 60 PS und G-Kat handelt. In der leichten Büchse kein Wunder, daß der ordentlich zieht. Auch die Fünfgangschaltung klackt recht sauber, so daß der alte Eimer sehr viel souveräner fährt, als er aussieht. Ab 150 wird er aber unruhig, so daß ich mich nach einigen kurzen Ausflügen in Geschwindigkeitsregionen jenseits des Richttempos mit 120-130 bescheide und mit offenem Faltdach die laue Frühlingsnacht genieße. Ist angesichts der eher zahm beißenden Bremse (wobei ich da von dem zuvor überführten Citroen BX und meinem eigentlichen Golf 16V sicher verwöhnt bin) wohl auch besser so.

Zweite Überraschung: bei dem Tempo verbraucht die Kiste beinahe nix. Der volle Tank ist am Ziel immer noch halbvoll, und auch wenn die Tankuhr da ein wenig gelogen haben mag, so sind die gut 550 km mit 38 Litern oder 6,9 Liter auf 100 km, die er bis zum Nachtanken geschafft hat, m.E. nicht so übel.

Insgesamt hat der olle Opel durchaus positiv zu beeindrucken gewußt. Ausreichend flott, recht leise, ordentlich gefedert, vorne recht geräumig, zuverlässig sowieso und obendrein relativ sparsam. *staun* Für geschenkt war der auf keinen Fall zu teuer, und ich fuhr ihn auch noch ne Weile, bis er denn wegging. Bei dem Wetter ist so ein Faltdach echt klasse, wer mag mir mal bitte ne Ente verkaufen? Denn den Corsa zu behalten, kam denn doch nicht in Frage. Denn erstens ist das trotz der Überraschungen immer noch ein bemerkenswert öder, freudloser 80er-Jahre-Kleinwagen, der mir spätestens dann, wenn kein Faltdachwetter mehr ist, auf die Nerven gegangen wäre; zweitens rostete zumindest meiner wie die Seuche; drittens kostete er laut seiner Vorbesitzerin horrend viel Versicherung; und viertens hab ich meinem Golf zuliebe schon den BX weggegeben, da werd ich ganz bestimmt keinen Opel behalten stattdessen. Also weg damit.

Nur wohin?

Mein erstes Auto, damals, 1988, war ein 1970er Käfer. Der hat damals 500 Mark gekostet, und für weitere 500 war an ihm zu schweißen, bis er TÜV bekam. Und das war für ein erstes Auto damals auch beides ganz normal, wenn auch meiner tendenziell ein bißchen älter war als die meisten und auch damals schon Golf, Fiesta und Kadett des Käfers Vorherrschaft im Letzthand-Sektor gebrochen hatten.

In unserer Clique war aber der Käfer der Regelfall. Und wir liebten unsere alten Hebben – feierten ihre Geburtstage, gaben ihnen Namen, bastelten sie gemeinsam übern TÜV und reparierten ihre kleinen und großen Malaisen im Teamwork. Ein neues altes Auto war ein Ereignis nicht nur für seinen Besitzer, und wenn ein altes altes Auto zu bestatten war, wurde auch das gebührend gewürdigt. Wir waren schon ziemlich durchgeknallte Spinner damals.

Wo sind diese Leute heute?

Nein, nicht dieselben von damals. Die kenne ich ja auch heute noch. Heute fahren sie im Regelfall Bulli (T2 oder zunehmend T3) statt Käfer, geben ihnen immer noch Namen, fahren immer noch auf Treffen, und daß man die Bullis der anderen weniger gut kennt und weniger Anteil an ihrem Leben nimmt als damals, ist ja normal – mit den Leuten selber ist das ja auch nicht anders.

Aber wo sind heute die durchgeknallten Spinner mit den mäßig bis schlecht erhaltenen Beinahe-Youngtimern, den dünnen Brieftaschen und den selten erkaltenden Schweißgeräten? Irgendwie sind die jungen Leute, die ich so kenne, entweder (zwar auch durchgeknallte) Custom-, Tuning- oder wie auch immer man das heute nennt-Freaks, oder sie fahren eben irgendwelche Kisten mit 6 bis -2 Monaten Rest-TÜV in Grund und Boden, oder Papi hat ihnen einen jungen Gebrauchtwagen zum Abi geschenkt.

Stimmt mein Eindruck, oder gibt’s auch noch andere? Wenn es sie gibt, würde ich mich freuen, von ihnen zu hören. Auch wenn dieser Corsa mittlerweile (für 40 Euro als Teilespender) verkauft ist – denn eigentlich hätte er irgendwie Besseres verdient gehabt, finde ich. Obwohl es ein Opel war. Ich werde wirklich alt. 🙂

Dieser Artikel erschien am 11.5.2006 in der Usenet-Gruppe de.etc.fahrzeug.auto, lag seit etwa 2010 auf ermel.org im Web und lebt seit November 2017 hier — aber mit dem Datum von damals, damit niemand denkt, er sei aktuell ;-)

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