E10 und der Bauernverband

Zusammenfassung für Leute, die hier nur ne saftige Pointe suchen: Gerd Sonnleitner, der Präsi vom Bauernverband, hat gestern angesagt, die Angst vor Motorschäden durch E10 sei unbegründet. Ja nee, is klar. Und Karl Ranseier, Präsident des Verbandes der deutschen Frittenfettproduzenten, verweist auch die Angst vor Herzinfarkten durch zu fette Ernährung energisch ins Reich der Fabel. Ist doch immer schön, sowas von Leuten zu hören, die sich damit auch auskennen und vor allem keinerlei eigene Geschäftsinteressen mit ihrer Aussage verknüpfen.

So. Jetzt kommt die Langfassung.

Gestern ging ein Rauschen durch den Äther: E10 sei gestoppt, vermeldeten die Radiosender. E10, für die Nichtautofahrer (und die Nicht-Deutschland-Bewohner) unter den Lesern, ist der halbherzige Versuch der Mineralölindustrie, gesetzliche Vorgaben zum Anteil von “Biokraftstoffen” am Spritverbrauch der Nation zu erfüllen. Statt in Zusammenarbeit mit der Autoindustrie vielleicht mal die Einführung von und flächendeckende Versorgung mit (nahezu) reinem Ethanol, dem sogenannten E85 (85% Ethanol, 15% Mineralöl) auf die Beine zu stellen, hat man dort mal wieder gekniffen und E10 (wie der Name zustandekommt, sei dem Leser als Übungsaufgabe überlassen) in den Markt gedrückt.

Nicht weiter dramatisch, möchte man meinen, schließlich ist normales Eurosuper ja schon seit Jahren eigentlich E5. Es scheint aber so, als sei dieses Ethanol schon ein fieses Gesöff; trinkbar ist es zwar (wohlgemerkt: E100 wäre trinkbar, nicht daß Ihr jetzt an die Tanke einen saufen geht, und ich bin dann schuld!) …, wo war ich? Achja: … fieses Gesöff, das bei größerer Konzentration durchaus Spritschläuche und, was teurer kommt, Vergasergehäuse anzuknabbern vermag.

Und weil der deutsche Autofahrer nun vor lauter Verunsicherung ob solcher Hiobsbotschaften das neumodische Zeugs einfach nicht getankt hat, sah die Mineralölwirtschaft ihre Felle schwimmen: Logistische Probleme würde das machen, die Versorgung mit dem normalen Sprit sei nicht mehr zu gewährleisten. Und gestern haben sie dann eben die Reißleine gezogen und die E10-Einführung erstmal gestoppt.

Was für die Umwelt jetzt weniger schlimm ist, als es erstmal klingt. Denn auch wenn Ethanol rein technisch kein zusätzliches CO2 in die Atmosphäre entläßt, wenn man es verbrennt (denn das hat es ja zuvor, als es noch eine Pflanze war, selber gebunden beim Wachsen), so ist Autofahren mit Ethanol doch trotzdem nicht CO2-neutral. Denn die ganzen Traktoren, Erntemaschinen, Lastwagen und Schiffe, die das Zeug umherkarren, laufen ja auch nicht mit Luft (und auch nicht mit Ethanol, sondern wenn überhaupt mit Pflanzenöl, aber das ist eine andere Geschichte), und daß für den Anbau der Pflanzen auch erstmal Regenwald gerodet wird und/oder Anbauflächen, die für die Nahrungsmittelproduktion in der sogenannten dritten Welt gebraucht würden, umgewidmet, kommt erschwerend hinzu.

Summa summarum meinen die Umweltverbände jedenfalls, die Nicht-Einführung von E10 sei eine der wirksamsten Klimaschutzmaßnahmen, die man jetzt so auf die Schnelle durchführen könne.

Und dann kommt der Herr Sonnleitner. Der ist Präsident des Deutschen Bauernverbandes und meint öffentlich, Schuld an dem Schlamassel hätten doch eh nur die Ölkonzerne, weil die die Autofahrer nicht richtig informiert hätten, und deren Angst vor eventuellen Schäden am Auto sei ja auch völlig unbegründet. Dazu siehe den ersten Absatz.

Und was die mangelhafte Information des Autofahrers betrifft: Na klar verweisen da die Ölkonzerne auf die Autohersteller. Die sind ja nicht bescheuert. Wenn ich als Ölkonzern sage, klar, lieber Kunde, dein sagenwirmal sechsundneunziger Audi A4 verdaut selbstredend problemlos E10, und der tankt das dann, und drölftausend Kilometer später brennt die Karre in einem schönen Benzinfeuer ab, oder die Einspritzanlage krepiert … wen wird der dann wohl verklagen? Selbst wenn der Schaden gar nix mit E10 zu tun hat? Das Risiko bindet sich doch keiner freiwillig ans Bein.

Und die Autohersteller? Denen ist es im Wesentlichen egal, ob die Leute, die ihre alten Kisten fahren, E10 tanken können oder in Brasilien ein Spritfaß umfällt. Also erteilen sie die Freigabe nur für die Autos, bei denen sie sich absolut sicher sind, daß das geht. Citroën zum Beispiel sagt: Alle Modelle ab Organisationsnummer sowieso, was soviel bedeutet wie: die ab einem bestimmten Datum gebaut worden sind. Kann mir keiner erzählen, daß genau an dem Tag alle Modelle entsprechend konstruktiv verändert worden sind — aber weiß man’s? Weiß man nich, und tankt also lieber weiter normalen Sprit. Wenn man sich denn überhaupt informiert hat und den nicht sowieso lieber weiter tankt, denn auf die paar Cent Unterschied zwischen Super und E10 sei doch geschissen. Bis man da eine Einspritzanlagenreparatur oder gar einen Motorbrand von bezahlt hat, ist die Karre eh ein paarmal zum Mond und zurück gefahren oder, wahrscheinlicher, zu Kochgeschirr rießaikelt.

Nee, richtig lohnen, wenn schon nicht für die Umwelt, dann wenigstens finanziell, tut sich Ethanol nur als E85. Das Gesöff kostet pro Liter weniger als nen Euro. Und auch wenn man davon wegen seines geringeren Energieinhalts ein paar Schluck mehr verbraucht, rechnet sich das zügig. Wenn die Karre es denn verträgt. Wie oben geschrieben: Wenn man die Leute dazu bringen will, Biosprit zu tanken, dann ist das der erfolgversprechendere Weg. Ich zumindest werde das für meine beiden Automobile (das alte und das richtig alte) mal in Erfahrung bringen müssen. Aber das ist ein anderer Schnack und gehört auch nicht hierher.

Meine Prognose? E10 kommt wieder, und sie werden es durch Anhebpassen der Preise in den Markt drücken. Ganz einfach: So lange E5 teurer machen und E10 billiger, bis der Pöbel E10 tankt. Fertig. Dazu müssen nur die Lobbyisten in Berlin dafür sorgen, daß diese lästige Pflicht, normales Super weiter anzubieten, wegfällt. Die Leute mit den E10-inkompatiblen Kisten können dann ja OptimaxPlusWiePauerUltimaRacing100 tanken.

Hoffentlich tank ich bis dahin schon E85.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.