Teil 1: Nee dann mach ich das anders.
Oder anders. Oder anders. Oder noch ganz anders.
Jo, meint mein Disponent. Wenn Du dann Deine Baumarkt-Tour fertig hast (ein Trailer voll Holz, vier Abladestellen, alles Baumärkte — ich liebe es!), dann fährst Du zur Firma Tretmichgar in K., da kriegste dann geladen für Prokel in C., kennste ja. Ja, sag ich, kenn ich, und soviel zum freien Freitagabend (das Gespräch war am Mittwoch, aber soviel rechnen kann sogar ich). Au, sagt er, stimmt, hatteste ja angesagt. Nee, dann mach ich das anders. Ich meld mich gleich nochmal.
Denn soviel sei meiner Dispo ja zugestanden: wenn es irgendwie geht, dann bemühen sie sich ja auch, solche Absprachen einzuhalten. Und zwar jetzt nicht im führungszeugnisgemäßen Sinne von “er bemühte sich”, sondern wirklich. Doch! Echt jetzt! Kein Scheiß!
Und so verblieben wir dann, daß ich stattdessen bei derselben Fa. Prokel, aber im viel näheren E., einen Trailer kriegen sollte nach B., Termin Freitag 6 Uhr, und dann von da ne Rückladung Richtung Heimat. Prima, sag ich, danke, wann kann ich mir den Trailer denn holen, heut nacht schon? Zeit wär ja, Feierabend 14 Uhr bedeutet Anfangen um 1, schön nachts nach B. fahren, keine Staus, da dann nen knappen Tag zu früh eintreffen — macht das Sinn? Nee, sagt er, laß mal, ruf mal morgen früh um 7 hier an, falls hier noch irgendwas in die Hose geht.
Als hätte er es gerochen.
5 Stunden später, also Mittwochabend für normale Leute und mitten in der Nacht für mich, klingelt das Telefon. Ja, tut mir leid daß ich noch stören muß, aber der Kollege schaffts nicht mehr in D. leerzuwerden, der stellt den Trailer jetzt nach K. zu Tretmichgar und nimmt da nen leeren mit. Und ich soll das Zeug nach D. fahren? Genau. Problem: wir haben da Zeitfenster 6 Uhr, schaffste das? *rechne* Ja. Wenn ich nicht so viel schlafe, schaff ich das. Und was mach ich dann? Dann fährste zu Prokel und holst Dir den B.-Trailer, wie gehabt.
Also, falls Ihr den Überblick verloren habt: statt um 7 gemütlich die 80 km nach E. zu tuckern, durfte ich um 2 los ins (noch nähere) K., umsatteln, 120 km nach D., abladen, 110 km nach E., nochmal umsatteln und dann erst los nach B. — stressig, aber zu schaffen eigentlich.
Und dann meinten sie bei der Fa. Schrallegge in D.: Wo sind denn Deine Papiere? Hab ich doch bei euch abgegeben, sag ich. Nee, das ist nicht alles, da stehen nur 5 KLTs drauf. Sein Blick fällt auf die gerade abgeladenen 58 Behälter: Hey, die sind ja gar nicht für uns!
Stimmt. Hatter recht. Sind für Sündkram, auch in D. Naaa toll.
Und die Papiere, die ich hatte? Die waren für Schrallegge, na klar. Versandspediteur: United Parcel Service.
Ups.
Mit anderen Worten: Der Absender, Firma Zudoof in einem anderen D., hatte die Papiere vertauscht. Und mein Kollege, auch nicht schlauer, hatte das nicht bemerkt.
Ich auch nicht, stimmt. Papiere gefunden beim Umsatteln, ein Blick auf die Adresse, Schrallegge in D., aha, paßt, und weg.
Nu isses inzwischen halb acht am Donnerstag, ich steh hier mit dem immer noch vollbeladenen Trailer in D. und seh mein Wochenende langsam davonschwimmen. Einmal mit Profis arbeiten! Und das Lustige ist: diesmal ist nicht die Dispo schuld, nicht der Kunde, nicht der Verkehr, nicht das Auto, nicht mal ich! Sondern nur diese bräsige, merkbefreite Sackratte von Kollege, der sich jetzt mit meinem leeren Ex-Trailer gemütlich die Eier ins Wochenende schaukelt, während ich hier mit seinem Scheiß rumsteh und drauf wartet, daß endlich die Clearing-Stelle “meiner” Spedition anfängt zu arbeiten.
Es gibt so Tage …
Teil 2: Hätte hätte Fahrradkette
Während anderswo Telefondrähte glühen oder heutzutage vermutlich eher Antennen in Übermittlungsstationen, ruft mein Disponent erneut an: Fahr schon mal zu Sündkram, besorg mir da ne Faxnummer, dann faxen wir die Frachtpapiere da hin, wenn wir sie haben. Der Besuch beim Pförtner dort war der erste Lichtblick des Tages: Der gute Mann war schon fast anstrengend albern. Eine Faxnummer hatte er auch, 0190 und sechsmal die Sechs — nee, warn Scherz, und das Telefongespräch zu deren Übermittlung an die Dispo läuft mal wieder völlig anders als erwartet.
Spitze die Öhrchen! Ich spitze! Null zwei null … Äh, nee, brich da mal alles ab und fahr so schnell es geht nach E., Du kriegst da ne Direktladung nach B. für heute 17 Uhr. Äh, was?
Geht nicht. Natürlich nicht. Wer um 2 angefangen hat zu arbeiten, hat um 15, mit legalem Überziehen um 17 Uhr Feierabend. Es wäre vielleicht — vielleicht — mit Glück zu schaffen, bis 17 Uhr in B. beim Kunden auf dem Parkplatz zu stehen, aber dann noch entladen? Keine Chance.
Und jetzt kommt der Abschnitt mit der Fahrradkette: Hätte man es schon gestern um 20 Uhr gemerkt gehabt, daß diese meine Ladung gestern um 18 Uhr von niemandem geladen worden ist und deswegen auch noch gar keiner damit unterwegs nach B. war, dann hätte man ohne Probleme meine kleine Rundreise von A. über K. und D. nach E. bleibenlassen können. Dann stünde der Sündkram-Trailer zwar noch in K., aber dafür wäre ich schon unterwegs nach B. — und weil ich dafür auch nicht um 2 hätte losmüssen, wäre auch noch alle Zeit der Welt, um den Kram dann auch noch zu entladen.
Na dann tun wir eben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Bestmögliche, meint mein Disponent auf diese Kunde. Oder, in rüdigerhoffmannesker Stimme zu lesen: Das hat er dann auch gleich eingesehn … Und so steh ich nun bei Prokel an der Rampe, warte auf Beladung (den Trailer hab ich vorher getauscht, der Krempel für Sündkram steht jetzt hier in E. im Industriegebiet rum und wird irgendwann mal wieder, zum dann dritten Mal, nach D. gekarrt) und kucke mir an, wie mein Feierabend langsam auf mich zuschleicht. Für mich ist es bis jetzt trotzdem gar nicht so schlecht ausgegangen — auf dem Sündkram-Parkplatz standen vorhin schon gut zwei Dutzend Laster, darunter drei Kollegen, die wären alle vor mir dran gewesen, wo ich doch kein Zeitfenster bei Sündkram hatte.
Und theoretisch geht es sich ja auch aus, an einem Tag von E. über B. nach Hause zu fahren. Noch ist das Wochenende nicht mit letzter Sicherheit im Eimer. Dafür geht jetzt nicht nur die Sündkram-Tour nach D. vor die Hunde, sondern sehr wahrscheinlich auch noch meine eigentliche Prokel-Tour nach B. — die müßte man ja auch allmählich mal anfangen, wenn man damit morgen um 6 in B. sein und unterwegs auch noch ne Nachtruhezeit machen will.
Einziger Trost: Schlabonski nix schuld!
Teil 3: Wiedersehen macht Freude
Es hat dann nur rund dreieinhalb Stunden gedauert bei Prokel an der Rampe. Mittag war schon gut vorbei, der (reguläre) Feierabend deutlich am Horizont zu erkennen, als ich die Zugmaschine endlich gen Norden richtete und B. ins Visier nahm. Kurz noch bei der Dispo bescheidsagen — das ist gut, daß Du fertig bist, dann stell Dich mal draußen hin, gleich kommt ein Kollege, Kennzeichen so-und-so, der kriegt Deinen Auflieger. Hä? Ich bin doch schon weg. Fahr halt zurück.
Der Kollege (von einem anderen Subunternehmer) kam dann auch recht bald und hatte einen Auflieger für denselben Kunden in B. dabei. Der war für mich — und das in mehr als einer Hinsicht: die so geerbte Tour war genau die, die ich gestern nachmittag schon mal zugeteilt bekommen hatte. Und so fand sich doch noch zusammen, was zusammengehörte.
Anlaß für den erneuten Tausch war, daß der Kollege noch genug Fahrzeit übrig hatte, um noch am selben Tag in B. eintreffen zu können. Natürlich nicht pünktlich — 17 Uhr war beim Tauschen noch zweieinhalb Stunden hin, in der Zeit noch nach B. hätte man schon einen Bentley oder sowas gebraucht. Auch hier aber macht die Überschrift dieses Abschnitts Sinn: den Kollegen hatte ich nämlich zuvor bei Sündkram in D. auch schon auf dem Parkplatz stehen sehen. Naja, soll er sich mit den 19 Tonnen Weichspüler abquälen, mir reichen meine 14 Tonnen vermischten Gerümpels.
Mit denen ich dann auch tatsächlich pünktlich am nächsten Morgen um 6 in B. war, obwohl mir unterwegs noch ein Fuchs in den Scheinwerfer gelaufen ist und ich erstmal eine kreative Ersatzstreuscheibe aus Plastikfolie und Gaffertape frokeln mußte. Tja — wie war der Spruch? Wenn ich nicht so viel schlafe, geht das. Ob der Kollege wohl schon leer ist oder auch noch hier? Das Gelände des Kunden ist ansich nicht so furchtbar groß, aber ziemlich unübersichtlich.
Jetzt noch drei Ladestellen in B. abklappern und dann heim. Könnte klappen. Man wird sehen. Ob ich dann aber noch was von meinem Stammtisch heut abend habe, nach zwei solchen Tagen und Nächten? Man wird auch das sehen. Also wenn nicht ich, dann eben die anderen. *schnarch*
Epilog: Wem das noch nicht sinnlos genug war …
Und dann war da ja noch der Sündkram-Trailer, der einsam und verlassen in E. vor dem Prokelwerk stand, als wir im Konvoi gen B. abflogen. Mit dem ist dann jemand anders tatsächlich am Freitag bei Sündkram gewesen, mit den gefaxten Ersatzpapieren. Und jetzt ratet mal, was der laut Erzählung meines Disponenten zu hören bekam? Die Papiere sind falsch, die Ware ist nicht für uns, die muß zu Schrallegge. Genau, der geneigte Leser entsinnt sich dunkel: genau da stand ich am Donnerstagmorgen mit dem Krempel schon, sogar abgeladen war er bereits gewesen!
Sowas kann man sich echt nicht ausdenken. Würde einem eh keiner glauben.
1 Kommentar
Homer- ich glaube, der war das mit der Odysse- hätte seine helle Freude gehabt!
Kann man nur hoffen, daß das eine Ausnahme war…