Aushängeschild einer Weltfirma

Man lasse dieses gelungene Ensemble zeitgenössischer Industriearchitektur mal einen Moment auf sich wirken:

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Was könnte dieses Prachtstück beherbergen? Die Toilettenanlagen von A. Schneidereit, Autoverwertung, in Sterbfritz vielleicht? Oder die Fuhrwerkswaage der Zuckerfabrik Gustavsburg? Vielleicht sogar, Gott bewahre, das Gammelfleischlager von Üzgürs Dönerspießvermietung in Bottrop?

Nein, nichts von alledem. Und auch das Schild neben der Tür …

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… führt auf die falsche Fährte, denn außer der KLV-Anlage der Verkehrsbetriebe Peine-Salzgitter, einer eher publikumsscheuen Installation mithin, die aber immerhin Rollstuhlrampe, Türschild, Briefkasten, Alarmanlage, Schlüsselschalter und Magnetkartensensor aufweist, befindet sich weiter rechts …

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… ein doch auf Kommunikation ausgerichteter Bereich, erkenntlich an immerhin drei Schalterfenstern mit darunter liebevoll drapierten Gitterrosten, die aber immer noch nicht reichen, um dem Schalterpersonal auch nur annähernd auf Augenhöhe zu begegnen.

Immerhin ist einer der Schalter ein bißchen und einer noch ein bißchen weniger vor Regen geschützt durch das zweifellos gut gemeinte Regenschutzdach, das allerdings nicht nur durch seinen großzügigen Abstand vom Container immer noch genug des Naß’ auf den Menschen vor dem linken Fenster hinabläßt, sondern das über jenem gesammelte Wasser auch demjenigen vor dem mittleren Fenster direkt ins Genick träufelt.

Damit erweist sich das Regenschutzdach aber immer noch als weit effektiver als die betont nonchalant drapierte Windschutzplane. Und auch der Stehtisch und der farblich dazu gut passende, da ebenfalls im Holzton “Sperrholz natur strapaziert” gehaltene Stapelstuhl können nicht wirklich eine wohnliche Atmosphäre erzeugen.

Welche Weltfirma mag wohl so ihre Lieferanten empfangen im schönen Salzgitter? Wer hier schon länger mitliest, hat bestimmt schon einen Verdacht und denkt sich aber, “nee, das kann nicht sein, das ist selbst für die zu schäbbich”, oder?

Dochdoch. Das kann sein. Es handelt sich um die neue (!) Steuerstelle des Werkes Salzgitter eines wohlbekannten niedersächsischen Automobilkonzerns mit zwei Buchstaben.

Und wer da gleich ein allzu menschliches Bedürfnis verspürt: Bitte, die Fahrertoiletten sind 500 Meter weiter rechts, über den Bahnübergang und dann rechts um die Kurve:

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Da, das blauweiße rechts neben den Lastwagen auf dem Parkstreifen. Und ja, das gehört wirklich dazu — einen Parkplatz gibt es dort nicht, nur Straßenränder halt und dementsprechend lange Fußmärsche zur “Steuerstelle”.

Und falls Ihr glaubt, das wär jetzt ein Einzelfall, muß ich wohl doch mal versuchen, die Steuerstelle des Werkes Braunschweig, auch genannt “das Schlammloch”, heimlich zu fotografieren. Am Sonntag, wie hier, kommt man da nicht aufs Gelände — ist ein Tor vor.

5 Kommentare

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  1. Lieber Dieter,

    erkläre doch bitte mal für einen Branchen-Fremden, was eine Steuerstelle ist. Ist das sowas wie ein bürokratisch-elektronischer Abrollberg?

    Danke!

  2. Deine Beschreibung dessen was da auf den Fotos zu sehen ist, klingt amüsant, fühlt sich aber in der Realität unmenschlich und entwürdigend an. Und nicht zu vergessen. Diese Weltfirma legt großen Wert auf gegenseitigen Respekt. Ist auch nachzulesen im Begrüßungsflyer für Lieferanten. Und wenn dieser Respekt von den Lieferanten nicht eingehalten wird, dann gibt es Werksverbot. Wie es allerdings andersherum ausschaut, das weiß ich leider nicht 😉

  3. @Axel: Die Steuerstelle ist der Ort, an dem sich die Lastwagenfahrer zum einen anmelden und ihre Papiere zur Erfassung abgeben, und die dann zum anderen steuert, welcher Lastwagen wann zu welcher Entladestelle zu fahren hat, damit weder die Lastwagen ungebührlich lange wartend herumstehen noch die Entladestellen in zuviel Arbeit ertrinken oder sich ob zuwenig Arbeit langweilen.

    Das war die Theorie.

    Die Praxis sieht, wie immer, ein klein wenig anders aus. 🙂

  4. “KLV” – ich wußte nicht, daß es die Kinder-Landverschickung noch gibt.

  5. @Lothar: Kombinierter Ladungsverkehr. Vulgo: Containerbahnhof.

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