Die Spitze des Rußberges

Soso, VW hat also in den USA betrogen: sie haben eine Software in den Steuergeräten der Dieselmotoren, die erkennt, wenn das Auto auf einem Abgasprüfstand steht, und dann die Leistung runterfährt, damit die Karre den Test besteht.

Jetzt melden sich bitte mal alle, die glauben, daß das nur die USA betrifft. Danke. Ihr seid raus. “Einige Ursachen sind altbekannt: Der europäische Prüfzyklus NEFZ arbeitet beispielsweise mit unrealistisch niedrigen Beschleunigungs- und Tempowerten und hat viele Schlupflöcher. Zudem dürfen die Hersteller in Europa ihre Tests selber machen.

Als nächstes bitte mal alle die Hand hoch, die glauben, daß das nur Diesel betreffe. Oder nur VW. Danke. Ihr seid auch raus. Dass wir zu viel verbrauchen, liegt in der Regel aber nicht an uns oder unserem Fahrverhalten, sondern an Tricks bei der offiziellen Verbrauchsmessung. Die Deutsche Umwelthilfe hat zu diesem Thema eine kleine Broschüre herausgegeben [PDF – 863 KB], in der sie die zahlreichen Tricks der Hersteller schildert. […] In Kreisen der Automobilindustrie ist es ein offenes Geheimnis, dass aktuelle Softwareversionen bei der Motorsteuerung einen ‚Spezialmodus‘ beinhalten, der erkennt, wenn sich das Fahrzeug auf einem Teststand befindet.“

So. Nun bitte mal Hand hoch, wer glaubt, daß das ja keiner wußte oder ahnen konnte. Und tschüß. Die Technik zur Motor-Manipulation ist in Berlin und Brüssel seit Langem bekannt. Das zeigt ein Papier aus dem Verkehrsministerium.“

Noch jemand übrig? Dann melden sich jetzt mal bitte diejenigen, die glauben, dieser Skandal kommt jetzt ans Licht, weil sich jemand Sorgen um die Umwelt gemacht hätte. Hohngelächter.Da geht es nur am Rande um die Umwelt, um sauberes Abgas, um bessere Luft. Dahinter steckt ein Wirtschaftskrimi, den Hollywood noch gar nie verfilmt hat, obwohl er schon seit vielen Jahrzehnten andauert. Sieht man sich ähnliche Vorgänge in der Vergangenheit an, läuft man sogar Gefahr, als Verschwörungstheoretiker abgetan zu werden. Erfolg in den USA war für Autohersteller aus dem Rest der Welt immer schon gefährlich. Es genügte bloß den Anschein von aufkeimender Beliebtheit zu erwecken, schon passierten seltsame Dinge.“

Und wer jetzt noch seine Hand unten hat, der glaubt vermutlich auch nicht, daß das der einzige Betrug im Zusammenhang mit Umweltvorschriften ist, den die Autoindustrie sich so leistet. Und na klar, ist es auch nicht. Hier eine andere sehr kreative Idee, ebenfalls aus dem Hause Volkswagen: „Mit einer selbst erfundenen zusätzlichen Energieeffizienzklasse ‚H‘ versucht die Volkswagen AG, eigene PKW mit extremen Spritverbräuchen etwas grüner zu waschen. Im Internetauftritt der VW AG liegt deshalb zum Beispiel der Phaeton mit 4,2-Liter Benzinmotor […] mit der Energieeffizienzklasse G nicht auf dem letzten Platz, sondern auf dem vorletzten. Die gesetzliche Tabelle endet mit der Klasse G, die bei VW erfundene mit der Klasse H.“

Einziger Lichtblick: Vielleicht bringt das ja mal der Elektroauto-Idee ein bißchen Aufwind. Da zumindest werden die Emissionen (der Kraftwerke) ja vermutlich ein bißchen besser im Auge behalten.

Oder bin ich jetzt auch raus?

4 Kommentare

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    • emel auf 23. September 2015 bei 15:12
    • Antworten

    Naja- daß diese Schweinereien allgemein bekannt sind und überall und seit langem praktiziert werden (und wir wissen ja auch, daß nicht nur Softwaren sondern auch Werkstätten trixen…) bedeutet ja nicht, daß man sich nicht empören sollte!
    Und außerdem ist es sehr erfreulich, daß die Sache endlich mal publik gemacht wurde. Die Milliarden, die VW berappen muss, und der Shitstorm in Presse und Bevölkerung sind hoffentlich ein heilsamer Schuss vor den Bug unserer ach so geliebten “Deutsche Wertarbeit”- heiligen Industrie!
    Vielleicht (aber viel Hoffnung hab ich da nicht!) gehen auch ausnamsweise auch mal verantwortliche Politiker und/oder Entwicklungstechniker in sich und sorgen dafür, daß Vorschriften ehrlich erstellt und dann auch eingehalten werden!

  1. Sogar in den einschlägigen Webcomics wird sich schon lustig drüber gemacht. Hier einer aus Kanada: http://www.commitstrip.com/en/2015/09/22/software-worth-billions/

    • _RGTech auf 27. September 2015 bei 21:28
    • Antworten

    Also ich bin ja oft mit der hier vorgestellten Meinung konform, aber diesmal ist sie zu undifferenziert, finde ich 😉

    Ad 1: Der vorgeworfene Betrug wurde (bislang?) nur in den USA bewiesen und betrifft deren Einstufungen. Sprich: Ja, es betrifft direkt (!) nur die USA.
    Betrug (bei ULEV/SULEV) und unrealistische Umstände (bei Euro 3-4-5-6 bzw. NEFZ) sind zwei paar Stiefel. Es geht derzeit nur um den Betrug (außer man heißt AutoBild oder ADAC und sucht nach Profilierungsmöglichkeiten), der Rest ist eher so ein Mitnahmeeffekt.
    Aber kein ganz negativer.

    Ad 2: Och – die Zeitschrift Motorrad hat schon im Jahr 2000 ein BMW-Motorrad mit sehr unterschiedlichen Werten gemessen. http://www.motorradonline.de/motorraeder/technik-abgasreinigung/105838 War das nicht die Firma, die als erstes sagte, dass bei ihnen nicht betrogen wird?
    Wir werden im Rahmen künftiger Tests (wer macht die eigentlich, und wie?) eventuell sehen, wo hier die Realemissionen den NEFZ-Angaben ähneln (ganz deckend können die aus naheliegenden Gründen nicht sein, siehe auch WLTP-Lücken) und wo sie erheblich abweichen (dann erst stünden weitere Betrugsvorwürfe im Raum).

    Ad 3: Das Doofrind behauptet aber, das erst aus der Zeitung erfahren zu haben. Wer hat ihm das wohl vorenthalten? Oder muss er als nächstes weg, weil er “seinen Laden nicht im Griff hat”, wie es bei Wiko oft genug gefordert wurde?

    Ad 4: Es wäre vermutlich recht einfach gewesen für VW, die Software tatsächlich so anzupassen, dass die Wagen in der Realität immer im sauberen “Testmodus” laufen. Mit ein paar Einschränkungen halt (Mehrverbrauch an Diesel durch SRC-Kat Regeneration, Mehrverbrauch des AdBlue Zusatzes… je nach exaktem Motortyp eben). Haben sie aber nicht gemacht oder nicht geschafft. Dass dann das Ultimatum bzw. die Veröffentlichung genau jetzt passiert… naja, kann man zum Anlass für Verschwörungstheorien nehmen, muss man aber nicht (es fehlen nach wie vor Beweise).
    Dass man sich aber mit der Arroganz, den Amerikanern ausgerechnet den ungeliebten Dieselantrieb im PKW schmackhaft machen zu müssen, absichtlich in die Schusslinie stellt, das kann den Amerikanern keiner vorwerfen, das hat man bei VW schon vorher ahnen können. Machen doch unsere Medien nicht anders, zuerst werden die alten Vorurteile aufgekocht und dann anderswo Nachteile gesucht, wenn ein Ausländer plötzlich zu gut wird. Und sich hinstellen und sagen “wir haben DIE Lösung”, obwohl man die eben nicht hat, ist halt… dumm.

    Der DUH glaube ich übrigens auch erst mal nichts. Die provozieren wo sie nur können. Fakten scheinen da zunächst irrelevant.

    • Sven M. aus K. in B. auf 27. Februar 2016 bei 17:20
    • Antworten

    Auch wenn ich etwas spät damit um die Ecke komme, das hier (auf Englisch) finde ich in diesem Zusammenhang hochinteressant:
    https://systemicfailure.wordpress.com/2016/01/05/truth-in-engineering/

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