Frühwechsler-Blues

Beginnen wir diesen Rant mal wieder mit einem Blick in die Straßenverkehrsordnung. Das ist übrigens, seinem mitunter etwas trockenen Ton zum Trotze, ein stellenweise wirklich spannendes Werk. Was da alles drinsteht und trotzdem kaum einer weiß, erstaunlich. In §7 Absatz 4 zum Beispiel steht:

Ist auf Straßen mit mehreren Fahrstreifen für eine Richtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder endet ein Fahrstreifen, ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Übergang auf den benachbarten Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass sich diese Fahrzeuge unmittelbar vor Beginn der Verengung jeweils im Wechsel nach einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug einordnen können (Reißverschlussverfahren).

Ich hab da mal die entscheidenden fünf Wörter markiert für alle diejenigen, die schon hunderte von Metern vorher, der Verengung nur auf den sie ankündigenden Schildern gewahr geworden, sie aber noch nicht mal am Horizont erspähen könnend, bereits auf die durchgehende Spur zu wechseln sich genötigt fühlen (und dabei die, die schon auf jener sind, nötigen, sie reinzulassen).

Leute: Ihr schadet damit allen außer denen, die auf der endenden Spur hinter Euch waren. Ihr selber braucht länger bis zur Engstelle (weil davor ja noch die regelgetreu Fahrenden einscheren dürfen), vor allem aber brauchen die, die auf der durchgehenden Spur nun hinter Euch sind, länger — und auch nochmal länger als Ihr selber, denn nach den Buchstaben der StVO muß ja jeder einen reinlassen: Ihr, und der hinter Euch auch.

Multipliziert mit sagenwirmal 50 Frühwechslern pro solch Stau ist das schon richtig Lebenszeit.

Aus der Kabine meines Sattelschleppers heraus ist das natürlich noch viel frustrierender als für Euch, denn ich kann viel weiter kucken und sehe deswegen auch viel mehr Frühwechsler in Aktion. Und wegen LKW-Überholverbot hab ich nicht mal die Wahl, stattdessen auf der linken Spur zu sein (die es ja zumeist ist, die da endet).

Aber was red ich. Über die Frühwechselitis haben sich schon Generationen von Motorjournalisten die Finger wund getippt. Deswegen nur eine Bitte: Wenn Ihr Euch schon vor mir reindrängelt, dann wenigstens mit Blinker und ein paar Alibimetern Abstand, ja? Ich kann Euch sonst kaum sehen, und das führt entweder (wenn ich’s doch grad noch so kann) zu Notbremsung und einem kräftigen BLAAAAAARG aus der Drucklufttröte oder (wenn nicht) zu einem unangenehmen Blechschaden. Und nein, “da war doch mindestens ein halber Meter Platz” zählt nicht: von hier oben kann man das in der einen Schrecksekunde nicht unterscheiden.

Aber ernsthaft: Lest mal StVO. Es lohnt sich.

Ihr Pappnasen.

2 Kommentare

  1. Dieter, du sprichst mir aus der Seele 😉

  2. Mir auch. Jeden Tag auf’s Neue.

    Nur dass in meinem Fall ein Autobahnkreuz mit 2 Einfädelspuren auf 2 gerade Spuren, und danach nochmal 2 von rechts kommenden Spuren (wovon eine bis zur nächsten Ausfahrt als Verflechtungsstreifen dient) Schuld ist. Da hast du das gleich anderthalb Kilometer lang, denn der Verflechtungsstreifen dient a) den Frühwechslern zum Aufhalten aller anderen hinter ihnen und b) den genervten Geradeauswollern zum Rechtsüberholen und vorn kurz vor knapp wieder Einscheren. Was den Stau auch nicht kürzer macht.

    Mal sehen, was der nun angeblich beschlossene dreispurige Ausbau aus dem Chaos machen will.

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