Hauptsache was zu meckern

Na, das war doch mal ne Überraschung: auf einmal gibt der Bundestag die “Ehe für alle” (vormals despektierlicher: “Homo-Ehe”) frei, und alle reiben sich verwundert die Augen: Was bitte war jetzt all die Jahre das Problem?

Okay, direkt eine Wahl hatte Frau Merkel nicht mehr, wo sich doch alle drei potentiellen Koalitionspartner dazu bekannt hatten, die Sache endlich mal als Bedingung für eine Koalition mit der Union klarzustellen. Pragmatisch, wie sie bekanntermaßen ist, gab sie also die Abstimmung nach Gewissen ohne Koalitionszwang frei — ein Abstimmungsmodus, der nebenbei bemerkt laut Grundgesetz eigentlich immer gelten soll.

Und somit: Friede, Freude, Eierkuchen (gabs heute mittag übrigens tatsächlich hier, aber ich schweife ab). Jubel, Trubel, noch’n Sprudel.

Sollte man meinen.

Und dann kommt Stefan Niggemeier und schreibt im Spiegel an der Leine: “Angela Merkel hat bei der Ehe für alle keine Kehrtwende gemacht, sondern ist nur einen Schritt zur Seite gegangen: aus dem Weg. Ihr Pragmatismus ist respektlos gegenüber dem Wähler.”

Wie bitte? Da handelt die Frau gegen ihre eigene Überzeugung (sie hat mit Nein gestimmt) und sagt: Okay, bitte, wenn Ihr wollt, dann stimmt halt drüber ab, ich will mich da nicht (mehr) in den Weg stellen. Ja klar, das hat sie aus Pragmatismus gemacht und nicht aus Überzeugung. Überzeugung nicht nur nicht für die Ehe für alle, sondern vermutlich auch nicht für die Demokratie. Alles richtig oder zumindest plausibel, man kennt sie ja.

Aber hey — sie hat das Richtige getan, und jetzt wird ihr angekreidet, WARUM sie es getan hat? Geht’s noch, Herr Niggemeier? Frau Merkel hat das Recht, gegen die Ehe für alle zu sein, so wie jeder andere Mensch auch. Daß sie sich ergo nicht an der Speerspitze der Bewegung zu ihrer Einführung findet, das kann man ihr aber genausowenig vorwerfen wie ihre Überzeugung, daß das eine schlechte Sache sei!

Und ich gehe sogar noch weiter: Meine Hochachtung, Frau Merkel! Es ist immerhin auch nicht so alltäglich, daß ein Politiker einsieht, daß er ein totes Pferd reitet und absteigen sollte. Das zu erkennen und entgegen der eigenen Überzeugung auch zu tun, und dann auch noch ohne groß rumzukrakeelen, wie es die üblichen Verdächtigen von CSU bis katholischer Kirche es noch jetzt, wo der Keks gegessen ist, vorhersagbar und lautstark tun — das verdient Respekt. Den hatte ich vor Ihnen, Frau Merkel, nicht immer — manchmal aber schon.

Und heute eben auch mal wieder. Chapeau!

1 Kommentar

  1. Das Land könnte viel weiter sein, wenn es öfter pragmatisch statt dogmatisch regiert würde.

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