Tesla und sein CEO Elon Musk sind ja immer für volle Münder gut bei ihren Ankündigungen. Jetzt also einen Sattelschlepper — und nein, man konkurriert nicht mit den niederen Nutzfahrzeugen, die es heute schon bei fast jedem einschlägigen Hersteller zumindest als seriennahe Studie oder Erprobungsfahrzeug gibt, man gibt sich nicht mit schnödem Nah- oder Verteilerverkehr zufrieden. Für Musk ist die Spitze gerade gut genug: Fernverkehr soll es sein, 800 Kilometer Reichweite auch bei 40 Tonnen Gesamtgewicht!
Dazu gibt es einen futuristischen Prototypen, der alle Anlagen als „Postertruck“ hat – aber besonders praxistauglich sieht das, mit Verlaub, nicht aus. Zugespitzte Schnauze – schnittig sicher, windschnittig vielleicht auch, aber der Platz in der Kabine leidet. Das tut er ja schon bei z.B. Volvo, obwohl die gegen den Tesla aussehen wie Brotkästen neben Bügeleisen. Fahrerplatz in der Mitte – schön unübersichtlich in alle Richtungen, fast wundert man sich, daß das Fahrzeug keine Peilstangen hat, bestimmt hat es zumindest elektronische solche. Schön breite Türen bis zum Boden – viel Spaß beim Aussteigen an der Rampe. Und die Innenaufnahmen zeigen auch eher ein Designer-Loft als einen Arbeitsplatz.
Nun mag sich vom Präsentationsstück zum Serienprodukt noch einiges ändern. Aber zumindest für Europa mit seinen strikten Längenbeschränkungen muß da sicher zumindest eine komplett neue Kabine her, und für Amerika mit seinen Riesen-Sleepern zumindest alternativ ein längeres Fahrgestell mit Platz für einen solchen.
Aber das ist auch gar nicht der Punkt.
Der Punkt ist, daß LKW-Fernverkehr so ziemlich das unpassendste Betätigungsfeld für batterieelektische Antriebe ist, das mir grad so einfällt. Denn auch in Amerika gibt es harte Gewichtsbeschränkungen – härtere sogar als hier, dort ist bei 36 Tonnen Schluß –, und Akkus wiegen nun mal mehr pro Energieeinheit als ein Tank voll Diesel. Oder Wasserstoff, denn natürlich ist ansonsten der Elektroantrieb schon etwas, was man haben will: allein schon die schweren und kraftfressenden Getriebe loszuwerden, ist sicher sinnvoll. Aber das geht ja auch mit Brennstoffzellen als Stromquelle – leichter, vermutlich in der Serie auch billiger, schneller nachzutanken sowieso.
Oder vielleicht liegt die Zukunft auch im Stromversorgen während der Fahrt? Ob nun induktiv über Spulen in der Straße oder klassisch mit Oberleitung darüber — Konzepte gibt es auch da mehrere, bestimmt auch welche, die sich mein armes kleines Hirn noch gar nicht vorstellen kann.
Und klar, einen Akku brauchen all diese Systeme trotzdem, zum Fahren abseits elektrifizierter Straßen und die Brennstoffzellenversion zumindest, um bergab anfallende Bremsenergie für den nächsten Anstieg zwischenzuspeichern – allein hier ist schon ein bemerkenswertes Energiesparpotential, das derzeit in Form von Abwärme aus den Retardern weggekühlt werden muß. Schon dieser eine Punkt spricht für Elektroantriebe auch beim Fernlastwagen, da bin ich schon bei Herrn Musk, so ist das nicht.
Aber jetzt schon mit dem batterieelektrischen Langstrecken-Fernlaster vozupreschen, in der Pressemitteilung dann auch noch Augenwischerei mit „solargespeisten Megachargern“ zu betreiben (man rechne mal aus, wieviele Quadratkilometer Sonnenkollektoren so ein Autohof bräuchte, wo schon nicht mal für genug Parkplätze Raum ist) und wie üblich mit schickem, aber praxisfremdem Design von den vermutlich selbst intern noch nicht wirklich feststehenden Eckdaten abzulenken, gar trotz alledem schon Vorbestellungen für angeblich 2020 zum Preise von 5.000 Dollar entgegenzunehmen – das alles ist mal wieder typisch Musk und typisch Tesla.
Es ist schön, daß es auch faszinierende Paradiesvögel mit großen Visionen gibt. Sport- und Luxuswagen kann man mit dem entstehenden Rummel, wie sich zeigt, auch ganz gut verkaufen. Aber “normale” Autos wie den Mittelklassewagen Model 3 und mehr noch Nutzfahrzeuge verkauft man nicht in diesem Maße über das Bauchgefühl, zumindest nicht nach dem ersten Hype – die müssen sich rechnen, und sie müssen im Alltag funktionieren.
Und da hat Tesla noch einen sehr weiten Weg vor sich. Ich bin gespannt, wie weit sie auf demselben kommen werden.
Dieser Artikel wurde auch als Gastartikel bei meinem Berufskraftfahrer-Kollegen Blick Ableiter veröffentlicht.
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