Im Jahre Neun (oder je nach Zählweise auch Sechs) nach dem Tesla Model S, von dem man ja sagen kann, was man will, aber seine Vorreiterrolle als erstes fernreisetaugliches und begehrenswertes serienmäßiges Elektroauto wird man ihm kaum absprechen können, knapp ein Jahrzehnt später sind nun also auch die traditionellen „Premium“-Autohersteller soweit und kündigen so allmählich auch mal konkrete Produkte an. Und im Gegensatz zum Tesla Model X, der ja auch als „SUV“ verkauft wird, aber in meinen Augen eher ein höhergelegter Minivan ist, sind diese Neuankündigungen alle natürlich was? Genau, „richtige“, also aggressive Protz-SUV.
Noch am erträglichsten scheint der Audi e-tron zu werden, irgendwo zwischen A6 allroad und Q5 im Format, einigermaßen schlicht geformt, natürlich trotzdem mit einem beim Elektroauto ja völlig unnötigen Riesen-Kühlerschlund fürs Überholprestige, aber da habe ich schon Schlimmeres gesehen. Trotzdem stellt sich die Frage, warum es denn ein SUV sein muß — gerade ein reichweitengeplagtes Elektroauto könnte doch vom geringeren Luftwiderstand einer flacheren Form profitieren, der Tesla S macht es vor, und die ohnehin bei den meisten Premium-SUV nur virtuelle Geländetauglichkeit wird’s ja nun nicht sein bei einem Elektroauto, oder?
Auch wenn es geht. Das macht zumindest heise autos mit dem Jaguar iPace vor, der zumindest eine gewisse Schlechtwegetauglichkeit auch erkennen läßt — fraglich, ob die Zielgruppe das interessiert, wird der Wagen doch in erster Linie als flott zu bewegender Straßenpanzer gesehen und in der Praxis vermutlich ohnehin als Kindertagesstättenbomber genutzt werden. Auch hier geht’s natürlich wieder nicht ohne Riesen-Kühlermaul, aber zumindest das restliche Design ist, wenn auch modisch, so doch wenigstens einigermaßen inoffensiv.
Was man vom Mercedes EQC so nun nicht sagen kann. Dieser Protzbrocken hätte in Design und Format 1:1 als Nachfolger des GLE gepaßt, dem zweitgrößten und für europäische Städte schon ziemlich überdimensionierten Mercedes-SUV also. Nur der Grill ist beim Elektro-SUFF nochmals größer und auffälliger. Der 2,5-Tonner (nein, nicht Nutzlast: Leergewicht!) verbraucht pro 100 km mehr Strom als ein Singlehaushalt in der Woche und ist wie alle hier erwähnten Autos so ein eher zweifelhafter Beitrag zu Energiesparen und Umweltschutz, aber was will man auch vom ältesten Automobilhersteller der Welt erwarten — Innovation?
Die hätte man schon eher von DS erwartet, dem „Premium“-Label von PSA, also Peugeot-Citroën-Opel, aber auch dort kommt mit dem DS3 Crossback E-Tense als erstes ein ganz normales SUV auf den Markt, zufällig elektrisch angetrieben und DS-typisch designmäßig verschwurbelt, aber ohne irgendwelche erkennbar neuen Ideen. Der Kühlergrill ist hier aber immerhin nicht ganz so dominant, was insofern wundert, als daß es den DS3 Crossback auch (oder sagen wir lieber: in erster Linie) mit Verbrennungsmotoren zu kaufen gibt.
Die Krönung aller Elektrogrillgeschwüre findet sich aber bei BMW in der Studie iNext, der man auch neue Ideen nicht absprechen mag — nur sind diese Ideen keine guten. Die klassische BMW-Niere ist mittig zusammengelaufen und so zur Hantel entstellt, und der Rest könnte aus dem Waffenarsenal des Toyota-Designstudios entlaufen sein in seiner schon absurden Aggressivität mit viel zu hohen Schlitzscheinwerfern, seltsamen Kanten, Lufteinlaßattrappen, verglasten B-Säulen und so weiter. Das Ding sieht aus wie ein Requisit aus einem schlechten 90er-Jahre-Science-Fiction-Film. Soll das die Zukunft bajuwarischen Premium-Automobilbaus sein?
Es steht zu befürchten. BMW ist ja immer für eine Design-Überraschung gut, nur eben für keine guten. Und nein, das ist keine Geschmackssache, zumindest nicht nur — denn die zunehmende Aggessivität im Autodesign ist ja nun nicht zu leugnen, und die damit verbundene Ellenbogenmentalität kann einem durchaus Sorgen machen. Daß nun ausgerechnet die Elektrofahrzeuge, die ja eigentlich Sinnbild einer neuen, umweltschonenderen, lärmarmen und wenn man so will freundlicheren Zeit sein könnten, besonders aggressiv das Weiter-so, das Platz-da-hier-komme-ich und das Eure-Armut-kotzt-mich-an in den visuellen Kortex des Betrachters brennen, macht klar, daß man in der klassischen Autoindustrie eben nicht verstanden hat, daß es auf die althergebrachte Art nicht ewig weitergehen kann.
Oder man will mit diesem Design eben die Reichen schon mal auf die Panzerfahrzeuge vorbereiten, die sie brauchen werden, wenn die Armen endlich mal aufstehen 😉
Zum Schluß möchte ich aber auch noch einen Hersteller erwähnen, der ein versöhnlicheres Elektroauto-Konzept verspricht: Eine eigene Plattform mit einem Sandwichboden voll Akkus, an jeder Ecke ein Rad, und obendrauf ein Schrägheckauto, ein Kleinbus und — natürlich, kommt man nicht drumrum, aber zumindest wohl nicht als erstes — ein SUV, die aber alle drei freundlich, fast sanft gezeichnet sind. Es bleibt natürlich noch abzuwarten, wie das dann in der Serie ankommt, aber die Volkswagen I.D.-Palette ist bis jetzt das einzige Konzept eines Traditionsherstellers, das mir Hoffnung macht. Hoffnung, daß sicherlich nicht alles gut wird, aber daß es zumindest nicht immer nur und immer schneller bergab geht.
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