Gesparte Minuten und vertrödelte Stunden

Es ist Donnerstagnachmittag.  Ich tuckere gemütlich in der Spätnachmittagssonne auf die Stadt zu, die heute mein Ziel ist, als eine SMS eintrifft: Morgen Möbelhaustour, Auflieger tauschen also nahe der Heimat und dann in den Norden zum Entladen.  Entladetermin: 15:00 Uhr.

Mist.

Denn drei Stunden kann das Entladen da schon mal dauern.  18:00 da weg, hat sich also was mit Stammtisch morgen abend.  Naja, andererseits, da steht ja vielleicht immer noch dieser außerplanmäßige leere Trailer von uns rum, vielleicht kann ich ja tauschen.  Die Dispo, danach befragt, meint: nö, da kommt noch ein Kollege mit 18:00-Termin, der darf dann tauschen.  Okay, seh ich ein: die arme Sau hat ja nun wirklich die noch größere Arschkarte gezogen als ich selber.

Aber er hat damit, das muß ich ihm lassen, besser gepokert als ich.

Freitag, 13:00.  Ich komme am Logistikzentrum an und meld mich an, „heute mal nicht zum Trailertauschen“, ja, sagen die, wissen wir, hat dein Kollege grad schon gemacht — der müßte dir doch entgegengekommen sein?  Äh.  Bitte was?  Naja, er war zu früh, aber wenn er tauscht, kann er ja trotzdem …

Schönen Dank auch.  Ich bin 2 h zu früh, in der (irrigen) Hoffnung, daß ich vielleicht auch etwas eher wegkomme, und er kommt 5 h zu früh und nimmt den leeren Trailer mit?  Grummel.

Bis dahin war aber noch alles okay, zumal unsere Dispo dann auch meinte, ja, dumm gelaufen, aber kannst ja mal kucken, ob der andere Trailer vielleicht eher leerwird als deiner, dann nimmste halt den.  So verbrachte ich dann einen bummeligen Nachmittag mit gelegentlichen Blicken in den linken Außenspiegel (ist meine Rampenampel schon grün?) und in einen strategisch auf dem Armaturenbrett verkeilten Handspiegel (ist die Rampenampel des anderen Trailers schon grün?). Letzteres trat zuerst ein.  Das alleine ist ja auch schon etwas stirnrunzelig: warum entladen die die 18:00-Tour, wo keiner auf den Trailer wartet, schneller als meine 15:00-Tour?  Da mein Trailer aber zu dem Zeitpunkt auch nur noch etwa viertelvoll war (wieder der Handspiegel, ein wahrhaft nützliches Utensil zum Spionieren!), habe ich aufs Umsatteln zunächst verzichtet.

Lustig wurde es bald darauf, als mein Trailer nun schon wirklich fast leer war, so gegen 16:00.  Anruf von der Dispo: Außer dir steht noch ein Trailer von uns ohne Zugmaschine an der Rampe, richtig?  Ja, sag ich, außer dem und mir steht hier sonst auch gar nix mehr auf dem Hof, und über den haben wir doch schon gesprochen vorhin.  Achja, sagt er, aber kannste mal bitte kucken, was damit ist?  Die meinen, sie können ihn nicht fertig entladen, der „steht scheiße“, was immer das bedeuten mag.  Klar, sag ich, ich kuck.

Links die Rampe, rechts der Auflieger, Blickrichtung in Fahrtrichtung von rechts nach links. Der blau markierte Anschlagpuffer des Aufliegers sollte fast am grün markierten der Rampe anliegen — und zwar beidseitig: die rote und gelbe Linie sollten deckungsgleich, zumindest aber nah zusammen und leidlich parallel sein.

Scheiße bedeutet also: Schräg, zu weit weg und außerdem auch vorne nicht weit genug hochgekurbelt.  Das fiel dem Entlader aber erst auf, als der zu zwei Dritteln entladene Trailer irgendwann so weit aus der Horizontalen kam, daß die Rampe nicht mehr bis auf den Trailer reichte.  Glücklicherweise ist er nicht mit dem Stapler in die Lücke gefallen.

Ich wußte zu dem Zeitpunkt noch von nichts und dachte, der wär halt nun leer.  Nach dem Anruf, einer kurzen Beaugapfelung der Situation und einem Gespräch mit den Staplerfahrern kam dann folgender Plan zustande: „in ein paar Minuten“, wenn mein Trailer leer wäre, möge ich doch bitte absatteln, unter den anderen fahren und den richtig hinstellen.  Den werde man dann auch „schnell“ entladen, dann könne ich den gleich mitnehmen statt des meinen?  Klar, sag ich, kein Ding, aber warum soll ich den nicht gleich wieder abstellen, wenn er richtig steht?  Ja, meint er, das ginge im Prinzip natürlich, aber da sei so schweres Zeug drauf vorne, das sei ihm ohne Zugmaschine drunter zu wacklig, und eigentlich dürften sie Trailer ohne Zugmaschine eh nicht mit dem Stapler entladen.

Dann nimm halt ne Ameise, denk ich bei mir und stimme aber trotzdem zu — jetzt ist auch egal, wann ich hier wegkomme, auf ne halbe Stunde mehr oder weniger sei nun auch geschissen.  Also geh ich erstmal zur Anmeldung — mein Trailer ist ja eh noch nicht ganz leer — und lasse mir dort den ausgeheckten Plan genehmigen.  Das dauert auch ein Viertelstündchen oder zwei, jedenfalls ist bei meiner Rückkunft an der Rampe mein Trailer leer.  Also sattel ich den ab und fahr unter den anderen.

Dabei kuckt man im Außenspiegel bei Schleichfahrt rückwärts dabei zu, wie die Hinterreifen der Zugmaschine unter der Unterkante des Trailers verschwinden.  Wenn auch die Tankdeckel verschwinden, ist die Position erreicht, in der man komfortabel Kabel und Schläuche anschließen kann.  Alles Routine.  Umso ungläubiger mein Blick, als stattdessen die Unterkante des Trailers im Spiegel hinter der Oberkante der Hinterreifen verschwindet — warte, was ist jetzt los?

Boah, ist der tief, Mann. (Das Weiße ist der Trailer.)

Hrmpf.  Und jetzt?  Hochkurbeln unter Last geht nicht, das hatte auch der Staplerfahrer schon versucht.  Jetzt hilft nur noch das Hebelgesetz: Was hinten runter kommt, kommt vorne hoch.  Also hinten Luft aus der Federung — was nicht viel bringt.  Bremse los, vielleicht ist da was verspannt?  Nachdem der Trailer mit zwei Unterlegkeilen gesichert ist, wage ich es, die Bremse zu lösen (ja, da gibt’s einen Knopf für, auch ohne Luft von der Zugmaschine) — nix.  Erst als der hilfreiche (keine Ironie, der Mann war wirklich nett) Staplerfahrer die Rampe mit einer Ecke auf den gerade noch erreichbaren Trailer legte, besann sich dieser auf die Schwerkraft und hob im Zeitlupentempo die Nase, während sein Hintern sich senkte.

Mittlerweile hatte sich auch ein Kollege (einer anderen Spedition, huhu Michael, falls Du das liest!) dazugesellt und half mir netterweise bei den -zig Gängen um die Fuhre — Bremse raus, Bremse rein, Stützen hoch, Stützen runter, hier kucken, da schätzen, da kommt was zusammen!  So dauerte es nur eine Dreiviertelstunde, bis ich endlich den Trailer auf der Zugmaschine hatte.  Gerade und bündig an die Rampe stellen war danach wieder Routine — 5 Minuten vielleicht.

Wer mitgerechnet hat: So ca. 17:15 war es also inzwischen wohl.

Leer war der Trailer dann um 18:20.  Hach, Leute.  Echt.  Da reißt man sich für euch den Arsch auf, und zum Dank laßt ihr einen noch eine Stunde warten?  Ernsthaft?  Ich mein, mir war’s egal, ich hab mit Michael gequatscht und, als dann der Regen einsetzte, angefangen diesen Artikel zu schreiben, aber ein ganz klein bißchen hättet ihr euch schon beeilen können.  So als Dank?  Vielleicht?

Mein ja nur.

Aber gut, der Staplerfahrer konnte ja am Ende nix dafür.  Richtig sauer bin ich deswegen auch nur auf den Kollegen mit der 18:00-Tour.  Nicht, weil er die Trailer getauscht hat — das hat er von der Dispo so gesagt bekommen, und die hätten ja auch stattdessen sowas ansagen können wie „wer zuletzt kommt, darf tauschen“.  Aber dann den Trailer so scheiße hinzustellen, das ist weder mangelnde Routine noch fehlendes Augenmaß, das ist einfach nur Wurschtigkeit und arschlochhafte Nach-mir-die-Sintflut-Attitüde, und sowas kann ich echt nicht ausstehen.

Naja, Kollege.  Ich weiß nicht wie du heißt, und ich weiß nicht für welchen Subunternehmer du arbeitest, aber du bist mir entgegengekommen in der Zufahrtsstraße, und ich kenne deine Zugmaschine und dein Gesicht.  Man trifft sich immer zweimal im Leben, an der Rampe eines gewissen Logistikzentrums im Norden.  Und nein, das ist natürlich keine Gewaltandrohung, ich bin ja Pazifist, aber ein paar harte Worte wirst du dir dann trotzdem anhören müssen.

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